Workshop „Game Studies. Portale“

6. Juni 2013, Artur-Woll-Haus, Raum AE-A 102

Der Workshop „Game Studies. Portale“ untersucht die Spieltitel Portal und Portal 2 (Valve, 2007 u. 2011). Wir möchten in einem ersten Schritt in der Form gemeinsamer Spieltests den aktuellen Stand der  Medialität navigierbarer virtueller Räume evaluieren. Sodann präsentieren wir vier verschiedene analytische Zugänge, das medial Besondere von Portal und Portal 2 auf den Begriff zu bringen. Abschließend möchten wir Spielerfahrung und Spielanalyse aufeinander beziehen, indem wir die die multiperspektivische Methodik der Game Studies und ihre kulturwissenschaftliche Funktion zur Diskussion stellen.

Programm

9:30 Uhr Begrüssung
Thomas Hensel / Jochen Venus

10:00 Uhr
Spieltest

12:00 Uhr
Mittagessen

14:00 Uhr
Narrative Portal
Benjamin Beil

14:45 Uhr
Erlebtes Handeln
Jochen Venus

15:30 Uhr
Kaffeepause

16:00 Uhr
Bildmedialität
Thomas Hensel

16:45 Uhr
Echoformen des Irrealen und Medialen
Jens Meinrenken

17:30 Uhr
Abschlussdiskussion

 

Abstracts

Benjamin Beil: Das Spielen von »Portal 2« ist nicht nur ein Absolvieren verschiedener Puzzle-Räume, sondern ebenso ein ›Durchwandern‹ des Firmensitzes der Aperture-Science-Labs. »Portal 2« erzählt die Geschichte eines Labors – mit den Medien eben dieses Labors. Dies geschieht einerseits über ›klassische‹ narrative Requisiten des Computerspiels, wie geschwätzige Roboter und Aufzeichnungen des berüchtigten Aperture-Firmengründers Cave Johnson. Andererseits ist es aber vor allem die ›narrative architecture‹, die (buchstäblich) die Hintergrundgeschichte des Spiels illustriert, angefangen bei den sich über die (Bau-)Jahre hinweg verändernden Designs der Firmenräume bis hin zu – und diesem Aspekt will der Vortrag besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen – den Experimentaufbauten selbst, den sog. Test-Chambers, die in ihren komplexen medialen Versuchsanordnungen das Labor gleichermaßen als Schauplatz wie als Spielplatz reflektieren.

Jochen Venus: Die Raumrätsel in »Portal« lassen uns eine Handlungsrationalität erleben, die dem ideologisch herrschenden Handlungsparadigma der modernen Gesellschaft, nämlich der Vorstellung einer individualpsychologisch motivierten instrumentellen Handlungsrationalität, zuwider läuft. Mit Kenneth Burke lässt sich das ideologisch herrschende Handlungsparadigma folgendermaßen charakterisieren: Ein singuläres Individuum vollzieht nach Maßgabe eigener Absichten in einer unveränderlich vorgegebenen lokalen Szene mittels oder an einem naturgesetzlich determiniertem Instrument einem motorischen Akt und bewirkt dadurch einen Erfolg oder Misserfolg im Sinne seiner Absicht. Das Spiel »Portal« inszeniert uns dagegen als Probanden in einem Laboratorium (d.h. unsere Handlungsabsichten in der fiktionalen Wirklichkeit des Spiels folgen primär keinen psychologisch plausiblen Motiven), und wir bestehen die uns aufgezwungenen Tests durch eine Manipulation der Anordnung von Containerräumen möglicher Akte. Dadurch findet eine merkliche Verlagerung unseres erlebten Handlungsortes statt: nämlich aus der Mitte eines szenischen Containerraums auf die Grenze zwischen Containerräumen. Diese eigentümliche Handlungssubjektivität wird in einer Art ›perversen‹ empirisch-transzendentalen Dublette (Foucault) durch die uns testende Figur GlaDOS gespiegelt. – Was für eine real existierende und gesellschaftlich wirksame Subjektivität wird auf diese Weise ausgestellt und nacherlebbar gemacht? Welche epistemologisch irreduziblen Funktionen kann es haben, wenn Simulationskünste solche oder ähnliche Stilisierungen im Modus des erlebten Handelns inszenieren?

Thomas Hensel: Ausgangspunkt der Überlegungen sind die ikonischen Abseit(igkeit)en, mit denen der Testkammern-Parcours von »Portal« und »Portal 2« durchsetzt ist. Nicht nur sind in dessen sterilem Habitat immer wieder verschmutzte, mit Graffiti überzogene Nischen und Zwischenräume versteckt, auch finden sich auf den Wänden der Laborareale vielfach Plakate mit Handlungsanweisungen, die in ihrer Absurdität die Rationalität der Versuchsanordnungen pervertieren. Anknüpfend an eine in »Portal 2« explizite Thematisierung eines solchen Plakats – dazu ratend, eine außer Kontrolle geratene KI durch die Beschäftigung mit klassischen Paradoxien vom Tötenwollen abzuhalten –, sollen jene bildlichen Parerga als medienreflexive Störungen und die Warnung »Know your paradoxes!« als Hinweis darauf verstanden werden, dass es sich bei den »Portal«-Spielen, aber auch dem Computerspiel als solchem um so genannte unmögliche Objekte oder multistabile Bilder (nach Reutersvärd, Penrose und Escher) handeln könnte.

Jens Meinrenken: »Portal« ist ein Spiel mit den Multiperspektiven, den Raum-Zeitschleifen und den Irrungen, Wirrungen der menschlichen Existenz. In diesem Sinne soll die ästhetisch hoch codierte Zivilisationskritik von »Portal« zum Ausgangspunkt für eine tiefer gehende Reflexion des visuellen Bezugssystems dienen. Unter der Überschrift ›Echoformen des Irrealen und Medialen‹ soll der Non-Sense unseres täglichen Tuns ebenso thematisiert werden, wie die szenische Aufbereitung des Spiels. Sind es in »Portal« selbst piktoriale Elemente wie das Graffiti oder die Infografiken an den Wänden, die sich als bildtheoretisches Konstrukt deuten lassen, so sind es außerhalb des Spiels vor allem dessen Adaptionen als Film und Comic, die den menschlichen Un-Sinn emblematisch vertiefen. Programmatisch für diese Interpretation ist das Firmenzeichen von Aperture Science, das dem mechanischen Verschluss eines Kameraobjektivs nachempfunden ist. Das Öffnen und Schließen der Räume mittels des Portal Device ist somit unmittelbar an die begrenzte Sehweise unserer Augen gebunden. Hierin liegt die transzendente Energie von »Portal«, etwas spielerisch erfahrbar und sichtbar zu machen, dass sich unserer Wahrnehmung eigentlich entzieht. In den Echoformen unseres Ichs werden wir selbst als ein Vielfaches spürbar und dies – so die philosophische Pointe des Spiels – ohne auch nur einer Menschenseele aus Fleisch und Blut wahrhaft zu begegnen.

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