Andreas Wagenknecht
Ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter
- Soziologische Theorie und Methoden
- Sozialisations- und Praxistheorie
- Soziologische Phänomenologie und Postphänomenologie
- Soziologie der Behinderung und Krankheit
In meiner Promotionsforschung beschäftigt mich die Frage: Wie wirken Dinge, Technik und Medien am Alltag und dem Leben mit einer körperlichen Behinderung mit, wie gestalten sie alltägliche soziale Praktiken und soziale Beziehungen? Genauer geht es mir um die medientechnisch strukturierte visuelle Wahrnehmung, das Sprechen und die Motorik. In einer mikrosoziologischen Perspektive und mittels qualitativer Methoden, frage ich nach dem Anteil von Medien und Technik an der praktischen Konstruktion von Behinderungen in verschiedenen sozialen Settings. Darüber hinaus geht es mir um theoretisch-konzeptionelle Fragen danach, wie das Verhältnis von Körper, Geräten/Dingen und Medien innerhalb sozialer Praktiken beschreiben und verstanden werden kann? Welche soziologischen Theorien in welcher Kombination sind geeignet, die Problematik adäquat zu erfassen und die soziale Konstruktion einer Behinderung unter den Bedingungen moderner Medientechnik zu begreifen?
Meine Forschung sucht unterschiedliche Orte und Lokalitäten auf, um ethnographisch zu rekonstruieren, wie der Gebrauch von Technik und Medien das Leben mit einer körperlichen Behinderung prägt, welche Probleme dabei entstehen und welche Lösungen für ein selbstbestimmtes Handeln sich bewähren. Das Erkenntnisinteresse des Projekts besteht in der vergleichenden Rekonstruktion sozialer Praktiken und der in diesen stattfindenden Versammlung von Medien und Technik und Teilnahme „behinderter Körper und Subjekte“.
Die Forschung sucht dafür unterschiedliche Orte und Lokalitäten auf, um soziale Praktiken vergleichend zu rekonstruieren. Die Forschung findet in zwei Felder statt: 1. Menschen mit Sehbehinderungen und als zentrales Gerät deren Smartphone. Daneben stehen andere technischen Hilfsmittel im Fokus (Scanner, Speichermedien usw.) Die Forschung fand in Selbsthilfegruppen statt. Von dort ausgehend kam es zu Interviews, Messebesuchen und Hilfsmitteltest). 2. Menschen mit spastischen Lähmungen und ohne Lautsprache und deren zentrales Gerät sind komplexe Kommunikationshilfen wie Talker. Hier konnten Interviews und teilnehmende Beobachtung von Schulunterricht, Kommunikationstrainings und verschiedenen Therapieformen durchgeführt werden.
Die orts- und situationsbezogene Medien- und Technikforschung wird im Projekt verknüpft mit einer praxistheoretischen Perspektive auf das „doing disability“. Das Projekt verortet sich zwischen Medienwissenschaften und Sozialwissenschaften und hat einen starken Bezug zu verschiedenen soziologischen Theorien, die über die Arbeit am Material in einen Dialog gebracht werden. Mein Ausgangspunkt ist ein praxistheoretischer. Das meint, dass ich anhand der Beschreibung von alltäglichen Praktiken nachzeichnen wie ein Phänomen hergestellt wird. Also z.B. was es bedeutet eine spastische Lähmung zu haben, wird darüber erklärt, wie sich das Öffnen einer Tür durch Hilfsmittel gestaltet, wie mittels eines Sprachcomputers die Praxis des Briefeschreibens bewältigt wird oder ganz generell das Besondere an Kommunikationspraktiken durch Talker. Dabei lege ich den Fokus einerseits auf technische Dingen, deren materieller Beschaffenheit und ihren Beiträgen zu Wahrnehmung, Kommunikation und Handlungen. Theoretische Bezüge sind hier die STS und die philosophische Postphänomenologie. Andererseits geht es durch einen Bezug auf die Ethnomethodologie und Interaktionstheorien darum, nachzuvollziehen, wie soziale Ordnung im Kleinen entsteht, wie sie durch die Anwendung von Methoden des Handelns hergestellt wird und wie Akteure mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen sich aufeinander beziehen. Zu Letzt lege ich eine diachrone Perspektive an das Thema, indem ich sozialisationstheoretisch die Fragestellung unter einer biographischen Perspektive bearbeitete.
Methodisch geht das Projekt ethnographisch vor. Neben der teilnehmenden Beobachtung verschiedener Kontexte, Praktiken, Situationen und Orte in denen Medien, Technik und Behinderung eine Rolle spielen, werden biographisch-narrative, fokussierte und interaktive Interviews geführt, die sich konkret auf bestimmte mediale und technische Objekte und deren biografische Bedeutung beziehen. Die Auswertungsmethoden bewegen sich im Spektrum der interpretativen Sozialforschung. Grundlegend orientiert am Verfahren der Grounded Theory kodiere und verdichte ich das Material um bestimmte Schlüsselthemen. Die narrativen Interviews werden teilweise ausgewertet im Stil der Narrationsstrukturanalyse, aber immer wieder, v.a. bei den Interviews mit UK-lern rekonstruiere ich die Interviews konversationsanalytisch und verstehe die Interviews als quasi-natürliche Gespräche einander nicht-bekannter Menschen.
- 2009-20012: Studium der Sozialwissenschaften und Philosophie mit dem Kernfach Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig. Titel der Bachelorarbeit: „Die Regie der Identitäten. Zur soziologischen Konstruktion individueller Identität“
- 2013-2015: Studium der Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt/M.. Titel der Masterarbeit: „Grenzerfahrungen im Gemeinsamen. Eine sozialisationstheoretische Fallstudie zur Bewältigung von körperlichen Behinderungen innerhalb der Lebenspraxis Zweierbeziehung“
- 2014-2015: Wissenschaftliche Hilfskraft an der Professur für Qualitative Methoden von Frau Prof. Dr. Claudia Peter
- seit November 2015: Doktorand an der Graduiertenschule „Locating Media/Situierte Medien“ der Universität Siegen
‚hemdsärmelige‘ und reflexive Praxis‘, Essen: Oldib.
(i.E.) „Geteilte Stimme. Zum Zusammenhängen von Körper und Technik am Beispiel des Sprachcomputers“, Pfadenhauer, Michaela; Poferl, Angelika (Hrsg.): Wissensrelationen. Weinheim: Beltz Juventa.
(2017): „Wie über das eigene Leben mit UK erzählen? Biographisches Erzählen und komplexe Kommunikationshilfen“, in: Lage, Dorothea; Ling, Karen (Hrsg.): UK spricht viele Sprachen. Zusammenhänge zwischen Vielfalt der Sprachen und Teilhabe. Karlsruhe: von Loeper Fachbuch Unterstützte Kommunikation. S. 256-268.
(2017): (als Mitglied der AG Postwachstumsgesellschaft, mit Birgit Blättel-Mink, Alexandra Rau, Sarah Schmitz) „Arbeit in der Postwachstumsgesellschaft“, in: Diefenbacher, Hans/ Held, Benjamin, Rodenhäuser, Dorothee (2017): Ende des Wachstums – Arbeit ohne Ende? Arbeiten in einer Postwachstumsgesellschaft. Marburg: Metropolis-Verlag, S. 185-222. (Fallstudie zusammen mit Mareike Beckmann und Helen Greinert, S. 197-203)
(2017): „Tastatur und Talker, Hand und Stimme. Zum Verhältnis von Körper- und Gerätetechnik am Beispiel von Hilfsmitteln für Menschen mit spastischen Lähmungen“, in: Dang-Anh, M./Pfeifer, S./Reisner, C./Villioth, L. (Hg.): Medienpraktiken: Situieren, erforschen, reflektieren.
Navigationen: Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften, Jg. 17, Heft 1, S. 135-154.
- „Forschungskörper: Zur Körperlichkeit der Medienpraktiken Interview und Beobachtung“, April 2018, „Medien(praktiken) der Kooperation im Feld“, Workshop des SFB Medien der Kooperation, Siegen (19./20.04.2018-18)
- „Wie über das eigene Leben mit UK erzählen?“, November 2017, „UK spricht viele Sprachen“, Kongress der Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation, Dortmund (16.11.2017-18.11.2017)
- „Mit dem Talker sprechen. Zur interaktiven Konstruktion technisch generierter Sprache. „, September 2017, „Wissensrelationen“, Kongress der Sektion Wissenssoziologie der DGS, TU Dortmund (21.09.2017-23.09.2017)
- „Das richtige Händchen für Tastatur und Handy. Zur Bedeutung von Körperwissen in technisierten Alltagspraktiken von Menschen mit körperlichen Behinderungen“, Juli 2017, „Wissen Macht Technik“, Frühjahrstagung 2017 der Sektion Wissenschafts- und Technikforschung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, TU Darmstadt (13.07.2017-15.07.2017)
- „Sprechen mit dem Talker. Aspekte der ethnographischen Forschung mit technisch generierter Sprache.“, Juni 2017, 6. Fuldaer Feldarbeitstage „Herumschnüffeln – aufspüren – einfühlen. Ethnographie als ‘hemdsärmelige’ und reflexive Praxis“ in Fulda (23./24. Juni 2017)
- „Symmetry-in-practice. On interacting with technological generated voices.“, Juni 2017, SPT2017: Grammar of Things, 20th conference of the Society for Philosophy and Technology in Darmstadt (14.-17.07.2017)
- „Rapporte des Körpers. Zur Rekonstruktion von Forschungssituationen“, Dezember 2016, Ringvorlesung des Graduiertenkollegs Locating Media: „Place is the Space is the Place“, Universität Siegen
(13.12.2016) - „Interviewunterstützung – Narrative Sozialforschung und
„Unterstützte Kommunikation“, November 2016, 59. Arbeitskreis Angewandte Gesprächsforschung, Pädagogischen Hochschule Freiburg, (25. und 26. November 2016) - „Accounts & Asymmetrien – Medien und die Bewältigung des Alltags der Anderen“, September 2016, Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaften, FU Berlin, (28.09.-01.10.2016)
- „Mittel und Mittler der Teilhabe. Teilhaben als medial und technisch vermittelte sozialisatorische Praxis.“, September 2016, Sommerakademie „Situationen der Teilhabe“, Universität Konstanz, (12.-
16.09.2016) - „Behinderung // Grenze – Die praktische Konstruktion des Städtischen aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen“, November 2015, 14. Treffen des Nachwuchsnetzwerks Stadt – Raum – Architektur: „Körper-Erfahrungen (in) der Stadt – Zugänge, Übergänge, Barrieren.“ Hamburg (zus. mit Katherin Wagenknecht)
- Tutor im Forschungspraktikum „In Behandlung sein – Eine Soziologie der Therapie“ (SoSe 15) am Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt/M.
- Tutor im Forschungspraktikum „Sozialisation unter besonderen Bedingungen“ (WiSe 14/15) am Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt/M.
- Tutor im Seminar „Einführung in die Sozialisationsforschung“ (SoSe 14) am Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt/M
https://stsworkshopsiegen.wordpress.com/
März 2015: Mitarbeit bei der Tagung des DFG-Netzwerkes „Qualitative Gesundheitsforschung“ (NQG) am 20./21. März 2015 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main