29.02. und 01.03.2016 im Apollo-Theater Siegen
Ästhetische Artefakte und Ereignisse, sei es in der Kunst oder der Popkultur, sind ohne Publikum nicht denkbar. Wie aber das Publikum für die Gegenwart begrifflich zu bestimmen ist, wie es sich im Umgang mit Kunstwerken und -vollzügen wahrnehmend und rezipierend verhält, vor allem: wie es die Künste und sich selbst während oder nach der Rezeption – eingebettet in räumlich, zeitlich, dinglich, physisch situierte Alltagspraktiken – kommunikativ formiert und welche Relevanz vor diesem Hintergrund „dem Publikum“ für die Kunst und in der Gesellschaft zukommt, muss nach wie vor als weitgehend ungeklärt gelten.
Mit dem Ausdruck Publikum, der ursprünglich im Grenzbereich des politischen und des literarischen Diskurses angesiedelt war, werden heute oft nur noch lokale Ansammlungen von Zuschauern und Zuschauerinnen, Konsumenten und Konsumentinnen bezeichnet. Zu dieser Entwicklung trug unter anderem auch der kunsttheoretische Diskurs bei: Hier wurde das Publikum begrifflich häufig zu einem passiven, kollektiven ‚Patiens‘ abgewertet und dem individuellen, schaffenden Künstler-Genie als ‚Agens‘ gegenüber gestellt. Dagegen wird in jüngeren Ansätzen der Kunsttheorie versucht, tradierte Asymmetrien aufzulösen: zwischen denen, die sprechen und denen, die hören; denen, die aktiv etwas geben, und denen, die passiv etwas empfangen; denen, die in ästhetischer Form belehren, und denen, die belehrt werden.
Vor diesem Hintergrund bringt die interdisziplinäre Tagung Vertreterinnen und Vertreter verschiedener benachbarter Disziplinen (Literaturwissenschaft; Linguistik; Medienwissenschaft; Theater- und Musikwissenschaft, Kunstwissenschaften, ggf. auch Kunstsoziologie und politische Kulturforschung) zusammen, um der Frage nachzugehen, ob und wie genau sich Konzeptualisierungen des Publikums in Form alltäglicher kommunikativer Praktiken im Umgang mit Kunst historisch und gegenwärtig empirisch konkretisieren. Der empirische Fokus liegt auf den in sozialer Interaktion verankerten Alltagspraktiken des Publikums im Kontext der ‚Kunstkommunikation‘ in Theater, Museum, Dichterhaus, Konzertsaal, städtischem Raum etc., im Kino, auf Festivals sowie nicht zuletzt in Verbindung mit dem Internet. Unter Kunstkommunikation wird nicht nur die Kommunikation mit Kunst und durch Kunst verstanden, sondern auch die Kommunikation über Kunst. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach den grundlegenden medialen und interaktionalen Bedingungen, die Kommunikation im Raum der Kunst ermöglichen und elementar strukturieren.
Der interdisziplinäre Austausch eröffnet die Möglichkeit, die durch empirische Untersuchungen des Sprachgebrauchs rekonstruierte kommunikative Alltagspraxis des Publikums in künstlerischen Kontexten 1. über verschiedene Institutionen (Theater, Museum, Kino etc.) hinweg zu vergleichen sowie 2. zu Theorieangeboten des literatur-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Diskurses über das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft erörternd in Beziehung zu setzen.
Veranstalter:
- DFG-Projekt „Theater im Gespräch. Sprachliche Kunstaneignungspraktiken in der Theaterpause“ (Siegen / Bonn),
- Projekt „Begehbare Literatur. Eine kulturwissenschaftliche Studie zum Literaturtourismus“ im DFG-Graduiertenkolleg „Locating Media“ (Siegen);
- Handbuch-Projekt „Sprache in der Kunstkommunikation“ (Universität Heidelberg)
- in Zusammenarbeit mit dem DFG-Graduiertenkolleg „Locating Media“ und der „Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik“ (LiLi)
Programm:
Stand: 27.01.2016
Montag, 29. Februar 2016
Zeit | ReferentIn | Programmpunkt / Vortragstitel |
Moderation: Stephan Habscheid | ||
14:00-14:15 | Begrüßung / Einführung | |
14:15-15:00 | Prof. Dr. Paulo Soethe (Universidade Federal do Paraná, Curitiba/Brasilien, Departmento det Polonês, Alemão e Letras Classicas) |
Deutschsprachiges Laientheater in Brasilien (1919-1968): Archivarbeit und -präsentation als diskursiver Vorgang im heutigen ‚espaço público‘ der Kunstkommunikation |
15:00-15:45 | Prof. Dr. Ulla Fix (Universität Leipzig, Institut für Germanistik) |
Erziehung oder Ermunterung? – Die sprachlich-mediale Konstruktion eines Publikums im Streit um Theaterkonzeptionen |
15:45-16:30 | Prof. Dr. Werner Holly (TU Chemnitz, Institut für Germanistik und Kommunikation) | „Sprechendes Publikum?“ |
16:30-17:00 | Pause | |
Moderation: Erika Linz | ||
17:00-17:45 | PD Dr. Marcus Müller (TU Darmstadt, Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft) & Dr. Jörn Stegmeier (Universität Heidelberg, Germanistisches Seminar) | Twittern als #Alltagspraxis des Kunstpublikums |
17:45-18:30 | Prof. Dr. Hubert Knoblauch (TU Berlin, Institut für Soziologie) | Publikumsinteraktion und Publikumsemotion |
18:30-18:45 | Pause | |
18:45-19:30 | Dr. Dietmar Kammerer (Philipps-Universität Marburg, Institut für Medienwissenschaft) |
Watching the Watchers: Kunst, Öffentlichkeit und Überwachung |
19:30-20:15 | Prof. Dr. André Barz (Universität Siegen, Germanistisches Seminar/Theaterpädagogik) |
Nicht-professionelle Theaterkritik im Internet |
20:15 | gemeinsames Abendessen |
Dienstag, 01. März 2016
Zeit | ReferentIn | Programmpunkt / Vortragstitel | |
Moderation: Christine Hrncal | |||
09:00-09:45 | Prof. Dr. Matt Hills (Aberystwyth University Wales, Department of Theatre Film & Television Studies) |
From Media Fandom to Art Fandom? Appreciating an Exnominated Discourse | |
09:45-10:30 | Prof. Dr. Christian Heath & Dr. Dirk vom Lehn (King’s College London, Faculty of Social Science & Public Policy) |
Audience Participation and the Legitimacy of Transactions | |
10:30-10:45 | Pause | ||
10:45-11:30 | Prof. Dr. Karola Pitsch (Universität Duisburg-Essen, Institut für Kommunikationswissenschaft) |
Ein Roboter als Museumsführer? – Besucherpraktiken des Umgangs mit einem neuen medialen Artefakt in einer Kunstausstellung | |
11:30-12:15 | Dr. Axel Schmidt (Institut für deutsche Sprache Mannheim, Abteilung Pragmatik) |
Anpassung an prospektive Zuschauer? – Eine multimodal-interaktionsanalytische Perspektive auf Publikums-Konstruktionen in Theaterproben | |
12:15-13:45 | Pause | ||
Moderation: Jan Gerwinski | |||
13:45-14:30 | Stephan Habscheid, Christine Hrncal, Erika Linz, Eva Schlinkmann (Universität Siegen, Germanistisches Seminar / Universität Bonn, Institut für Sprach-, Medien- und Musikwissenschaft) |
Foyer-Konversation im Theater. Vom „geschickten Bewältigen“ einer traditionell bildungssprachlichen Situation | |
14:30-15:15 | Raphaela Knipp (Universität Siegen, DFG-Graduiertenkolleg „Locating Media“) |
„Also nicht den üblichen Zugang, Buch zu und weg“ – Texte/Leser in Bewegung | |
15:15-16:00 | Prof. Dr. Niels Werber Universität Siegen, Germanistisches Seminar) |
Das Populäre und das Publikum. Über Inklusion und Attachments |
Anmeldung:
Um Anmeldung per E-Mail wird gebeten.
Kontakt
Prof. Dr. Stephan Habscheid
Universität Siegen
Philosophische Fakultät (Fakultät I)
Germanistik / Angewandte Sprachwissenschaft
Adolf-Reichwein-Straße 2
57076 Siegen
Tel.: +49 (0)271-740-4571
E-Mail: habscheid@germanistik.uni-siegen.de
Christine Hrncal
Universität Siegen
Philosophische Fakultät (Fakultät I)
Germanistik / Angewandte Sprachwissenschaft
Adolf-Reichwein-Straße 2
57076 Siegen
Tel.: +49 (0)271-740-3049
E-Mail: hrncal@germanistik.uni-siegen.de
Anfahrt:
Adresse
Apollo-Theater Siegen
Morleystraße 1
57072 Siegen
Googlemaps
Wegbeschreibung
Detallierte Wegbeschreibungen für die Anreise mit der Bahn oder dem Auto finden Sie auf der Website des Aplollo-Theaters Siegen.